Entstehung der Rasse
Die Zucht des Deutschen Weißköpfigen Fleischschafes begann entlang der deutschen Nordseeküste in Oldenburg, Stade und Schleswig-Holstein. Wie bei anderen Nutztieren wurden auch hier Abstammungsnachweise eingeführt und Zuchtziele definiert. Es entstanden die ersten Herdbuchverbände.
Den Anfang machte der Schafzuchtverein Eiderstedt im Jahre 1885. Es folgten die Vereine für das Wilstermarsch-Schaf (1908), für die Holsteinischen Elbmarschen (1917) und für das weiße hannoversche Marschschaf (1919). Ein Jahr zuvor (1918) war in der Wesermarsch "Die Züchtervereinigung des schweren, frühreifen Butjadinger Marschschafes e.V.“ gegründet worden.
Nach Gründung der Herdbuchverbände wurden in kurzer Zeit viele Schafe dieser Rasse in die Zuchtbücher eingetragen; in der Wesermarsch waren es in knapp drei Jahren über 7500 Tiere. Doch die Gründung der Herdbuchverbände war nicht der Anfang der Zucht des Deutschen Weißköpfigen Fleischschafes. Zuvor wurden englische Fleischschafrassen in vorhandene, bodenständige Marschschafe eingekreuzt.
Ab den 1850er Jahren gab es eine neue Entwicklung in der Schafzucht entlang der deutschen Nordseeküste, ausgehend vom Ochsen-Export nach England. Auf den fetten Klei-Weiden entwickelte sich das Mastvieh sehr gut. Die Landwirte, die ihr Vieh, überwiegend Ochsen, in der Marsch weiden ließen, verschickte einen Teil anschließend als Schlachtvieh nach England. Es wurden ungeahnt hohe Preise gezahlt. Für den Export von Schlachtschafen warb der Norddeutsche Lloyd mit „schönen, schnellsegelnden und zum Viehtransport ganz besonders eingerichteten englischen Dampfschiffen.“ Um den Schafen in England gegenüber konkurrenzfähig zu bleiben und sich dem „verfeinerten englischen Geschmack" anzupassen, musste die Fleischqualität der Marschschafe verbessert werden. Ab 1850 wurden zunächst nur Böcke aus England importiert. Bauern und Züchter waren da durchaus experimentierfreudig. Folgende Schafrassen waren die nächsten drei Jahrzehnte beteiligt, um die Wesermarschschafe zu verbessern: Leicesterschafe, Southdownschafe, Hampshireschafe, Oxfordshireschafe und Cotswoldschafe. Die letztgenannte Rasse war das geeignete Schaf zur Verbesserung des vorhandenen Materials und wurde daher im Laufe der Zeit in erheblichem Maße eingeführt. Mit dem 1884 verhängten Einfuhrstopp für Mastschafe aus Butjadingen fiel Großabnehmer England für die Bauern weg. Das war ein wirtschaftlicher Einschnitt. Die Anzahl der Schafe ging zurück. Der Zucht tat es aber keinen Abbruch, die neu entstandene Schafrasse wurde weitergezüchtet.
Gertrud 1920
Butjadinger Mutterschaf 1930
Siegerbock DLG 1968
Die Zeiten änderten sich und allein die zwei Worte „Schaffleisch essen“ sorgen bei vielen, vor allem älteren Mitmenschen für Augenrollen, Kloß im Hals, einem zusammengezogenen Magen und ähnliche Erscheinungen. Schon Mitte der 1960er Jahre, wahrscheinlich mit dem Auftauchen der Texelschafe, war man sich unter den Züchtern und im Vorstand einig, dass am Schaffleisch züchterisch gearbeitet werden musste. Einige Züchter und Schafhalter hatten sich wegen derer inneren Verfettung von dieser heimischen Schafrasse verabschiedet.
Das Einkreuzen von Berrichon du Cher-Schafen muss das einschneidenste Ereignis der letzten 50 Jahre Zuchtgeschichte gewesen sein. Berrichon du Cher ist eine in Frankreich verbreitete Fleischschafrasse. Diese Schafrasse hatte dem Weißkopf gegenüber einige Vorteile: Sie neigt nicht so stark zum Verfetten, die Fettadern innerhalb der Muskel- und Kotelett-Partien fehlen. Die Berrichon du Cher-Schafe verfügen über eine breite, fleischige Rückenpartie und ausgeprägte Keulen.
Ein weiterer Vorteil liegt in der asaisonalen Ablammung zwischen September und Mai. Die gute Mütterlichkeit der Weißköpfe blieb erhalten und auch die Milchleistung. Die oft erwähnten Drillings- oder gar Vierlings-Geburten bei Weißköpfigen Fleischschafen wurden aber seltener. Was vom Weißkopf auf der Strecke blieb, waren insbesondere sein vom Cotswold geerbter Wollschopf auf der Stirn, die schwarzen, festen Klauen und die schwarze Nasenschleimhaut. Um 1970 fiel in Weser-Ems der Startschuss zum Einkauf von Berrichon du Cher-Böcken. Die letzte züchterisch Einkreuzung von drei Berrichon du Cher - Böcken wurde 1997 genehmigt.
Je nach Einstellung der Züchter finden sich heute Weißköpfe mit Wollschopf oder ohne, mit schwarzen Nasenschleimhäuten, gesprenkelten oder rosanen, mit schwarzen Klauen oder hellen, mit viel Wolle an den Beinen oder wenig. Alles sind Weißköpfige Fleischschafe, die züchterisch so erfolgreich bearbeitet wurden, dass von der inneren Verfettung nichts übrig geblieben ist.
Gilda *2016
Hinnerk *2012
Odette *2014
Zum Weiterlesen:
Im November des Jahres 2016 nahm ich das Projekt "Weißkopfchronik" in Angriff. Unzählige Kladden,
Ordner, Bücher, Hefte, Urkunden und Medaillen wurden von mir durchgearbeitet. Neben dem Lesen der Akten war es mir besonders wichtig, die
Menschen selbst zu befragen, die mit oder von den Schafen leben oder gelebt
haben. In Frage kamen da die aktiven Züchterinnen und Züchter, deren Partner
und Partnerinnen oder auch Nachfahren. Auch Deichschäfer, Tierärzte, Händler
und die Angestellten des Schafzuchtverbandes erzählten Erlebtes oder beantworteten meinen Fragenkatalog. Es hat großen Spaß
gemacht, diese Informationen zusammenzutragen, Zusammenhänger erklärt zu
bekommen oder einfach nur über Weißköpfe oder Schafe allgemein zu fachsimpeln. Diese Fülle von
Informationen zu verarbeiten, stand auf einem anderen Blatt. Ich habe möglichst
viel des Erfahrenen aufgeschrieben, denn mit dem Gedanken, all die gelesenen
Ordner, Kladden, Hefte usw. unerwähnt wieder in Keller und auf Dachböden zu stellen, konnte ich mich nicht anfreunden.
Zuchtprogramm und Zuchtziel
Auszüge aus dem
Zuchtprogramm WEIßKÖPFIGES FLEISCHSCHAF
des Landes-Schafzuchtverband Weser-Ems e.V. nach dem VDL-Beschluss von 2018
1. Eigenschaften und Definition der Rasse
Das Weißköpfige Fleischschaf ist an der Nordseeküste aus dem bodenständigen Marschschaf durch Einkreuzung englischer Fleischschafrassen entstanden. Es ist ein mittelgroßes, einheitlich weißes Fleischschaf mit freiem Gesicht. Ein Wollschopf ist erwünscht, aber nicht zwingend. Der kurze Hals sitzt breit und kräftig an der Brust und Schulter. Die Ohren sind derb und mittelgroß, und stehen etwas nach unten, sind jedoch nicht hängend. Der Kopf ist hornlos. Der Wollbesatz der Extremitäten reicht bis an das Vorderfußwurzelgelenk und an das Sprunggelenk herunter. Ein freies Röhrenbein ist erwünscht. Weiße, etwas gröbere Crossbred-Wolle (36 – 38 m). Saisonaler Brunstzyklus mit langer Brunstsaison. Die Muttertiere sind sehr frühreif und fruchtbar, eine Erstzulassung im Alter von 7 – 8 Monaten ist möglich (ab 50 kg Lebendmasse). Für Koppel- und Hütehaltung auf ertragreichen Grünlandstandorten bei feuchtem, maritimen Klima besonders geeignet.
Das rassetypische Geburtsgewicht beträgt 5 kg bei Einlingen und 4 kg bei Mehrlingen. Die täglichen Zunahmen liegen bei Mastlämmern im Bereich von 350 - 400 g, die Schlachtausbeute beträgt bei einem handelsüblichen Lebendgewicht von 42 kg 48 - 52 %.
2. Ziele des Zuchtprogramms
Allgemeines Zuchtziel ist die Erhaltung der typischen Rasseeigenschaften bei gleichzeitiger Beibehaltung der genetischen Vielfalt, wobei eine Verbesserung der Rasse entsprechend der Selektionskriterien angestrebt wird.
2.1 Zuchtziele
Züchtung eines mittelgroßen bis großen, widerstandsfähigen und frohwüchsigen Fleischschafes mit guter Ausprägung der fleischtragenden Körperpartien. Der Rumpf soll tief und tonnig in der Rippe und Flanke sein. Die Brust soll stark nach vorn gewölbt und der Rücken lang und breit sein, mit fester Nierenpartie und anschließendem kräftigen geradem Becken. Erwünscht ist ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Klima- und Bodenverhältnisse. Das gesamte Wollvlies soll reinweiß sein,, die Wolle soll bei einer mittleren Feinheit von 36 – 38 m lang im Wuchs und dicht im Stapel sein. Eine dunkle Pigmentierung der Nasenschleimhäute und der Klauen ist erwünscht.
Leistungsdaten in der Tabelle:
Körperge- wicht (kg) | Vliesge- wicht (kg) | Ablamm- ergebnis % | Widerrist- höhe (cm) | Rumpf- länge (cm) | |
Altböcke | 110 - 150 | 6,0 - 8,0 | 80 - 85 | 90 - 105 | |
Jährlingsböcke | 90 - 110 | 6,0 - 8,0 | |||
Lammböcke (6 Monate) | 60 - 80 | ||||
Mutterschafe | 70 - 100 | 5,0 - 6,0 | 180 | 70 - 80 | 75 - 90 |
Zuchtlämmer (6 Monate) | 50 - 60 | 60 - 70 | 70 - 75 |